BauGB-Novelle IV: BauNVO II - Oberthür & Partner

BauGB-Novelle IV: BauNVO II

Die BauGB-Novelle sieht aber nicht nur verbesserte Regelungen für den Wohnungsbau, sondern insbesondere auch für den Lebensmitteleinzelhandel vor.

Ergänzung des § 11 Abs. 3 BauNVO

Nach dem neuen Satz 5 soll bei Einzelhandelsbetrieben, deren Warenangebot vornehmlich Lebensmittel sind, ein wesentlicher Anhaltspunkt dafür, dass Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 nicht gegeben sind, dann angenommen werden, wenn die Geschossfläche von 1.200 m² um nicht mehr als 300 m² überschritten wird (d.h. bei einer Gesamtgeschossfläche von bis zu 1.500 m²) und wenn diese Überschreitung allein der Ausweitung des üblicherweise lediglich für die Nahversorgung relevanten Lebensmittelsortiments und/oder der Vergrößerung der Gänge und des Kassenbereichs (etwa aus Gründen der Barrierefreiheit) dient. Hintergrund für die Ergänzung des § 11 Abs. 3 BauNVO ist die Besonderheit, dass Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe auch bei einer Geschossfläche von bis zu 1.500 m² in erster Linie nur ein nahversorgungsrelevantes Sortiment anbieten und somit in der Regel keine negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche haben können. Die Neuregelung findet hingegen keine Anwendung, wenn die zusätzliche Geschossfläche überwiegend zum Angebot üblicherweise zentrenrelevanter sog. „non-food-Artikel“ dient. Schließlich dürfte davon auszugehen sein, dass Großflächigkeit bei Betrieben des Lebensmitteleinzelhandels künftig ab einer Verkaufsfläche von 1.000 m² besteht.

Die Neuregelung ist aus unserer Sicht ausdrücklich zu begrüßen. Denn die Ergänzung des § 11 Abs. 3 BauNVO dient der Erleichterung der Genehmigungspraxis und berücksichtigt die Besonderheiten im Lebensmitteleinzelhandel, so dass auch ein Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb mit einer Gesamtgeschossfläche von bis zu 1.500 m² und einer Verkaufsfläche von bis zu 1.000 m² leichter als Gewerbebetrieb aller Art in einem Gewerbe- oder Industriegebiet nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 2 Nr. 1 zugelassen werden kann.

Festsetzungsmöglichkeit der Verkaufsfläche für Einkaufszentren und großflächige Handelsbetriebe

 

Bisher kann bei der Festsetzung eines Sondergebietes die Art der baulichen Nutzung näher eingegrenzt und Verkaufsflächenfestsetzungen getroffen werden, allerdings ist keine Rechtsgrundlage für baugebietsbezogene Festsetzungen zur maximal zulässigen Verkaufsfläche aller in dem Gebiet vorhandenen Betriebe vorhanden. Dem soll mit der Neuregelung des § 20a BauGB abgeholfen werden, wonach die zulässige Verkaufsfläche die Verkaufsfläche ist, die von den in einem Gebiet vorhandenen oder zulässigen Einkaufszentren oder großflächigen Handelsbetrieben insgesamt höchstens genutzt werden darf.

Die Rechtsgrundlage ist insbesondere für die Gemeinden von erheblicher Bedeutung, um zentrale Versorgungsbereiche oder Einzelhandelsbereiche gegenüber übermäßiger Kaufkraftverlagerung zu schützen.

Bundesrechtliche Definition des Vollgeschossbegriffs (§ 20 BauNVO)

Bisher wird in der BauNVO für eine Definition des Vollgeschossbegriffs auf Landesrecht verwiesen. Ziel der Neuregelung ist die Vereinheitlichung der planungsrechtlichen Vorgaben in Bebauungsplänen, um eine länderübergreifende Tätigkeit der Architekten und Bauherren zu erleichtern. Die neue Vollgeschossbegriff geht den landesgesetzlichen Vollgeschossbegriffen vor. Er wirkt aber nicht auf Bebauungspläne zurück, die auf Grundlage einer früheren Fassung der Baunutzungsverordnung aufgestellt worden sind. § 20 Abs. 1 BauNVO soll wie folgt gefasst werden:

„Vollgeschosse sind Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,4 Meter über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,3 Metern haben. Die Gemeinde kann im Bebauungsplan festsetzen, dass ein gegenüber mindestens einer Außenwand zurückgesetztes oberstes Geschoss (Staffelgeschoss) oder das oberste Geschoss im Dachraum nur dann Vollgeschosse sind, wenn sie eine lichte Höhe von mindestens 2,3 Metern über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben. Die Gemeinde kann im Bebauungsplan festsetzen, dass Geschosse, die ausschließlich der Unterbringung von Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung dienen, keine Vollgeschosse sind.“

Grundsätzlich ist eine Vereinheitlichung durch eine bundesrechtliche Definition des Vollgeschossbegriffs zu befürworten. Die vorliegende Grundregel des Satzes 1 führt jedoch dazu, dass einerseits Staffelgeschosse immer Vollgeschosse sind und andererseits bei Gebäuden mit geneigten Dachflächen die Unterschreitung des 2/3-Anteils und damit eine Nichtanrechnung mehrerer Geschosse im Dachraum auf die Zahl der Vollgeschosse erreicht werden kann. Die Sonderregelung des Satzes 2 soll hingegen nur für das oberste Geschoss und das oberste Geschoss im Dachraum gelten. Damit handelt es sich zwar um eine Besserstellung für Staffelgeschosse, aber um eine Schlechterstellung der Geschosse im Dachraum gegenüber der Grundregel.

Alternativvorschlag für Satz 2 (entsprechend BT-Drs. 19/26023, S. 8):

„Die Gemeinde kann im Bebauungsplan festsetzen, dass ein gegenüber mindestens einer Außenwand zurückgesetztes oberstes Geschoss (Staffelgeschoss) oder Geschosse im Dachraum nur dann Vollgeschosse sind, wenn sie eine lichte Höhe von mindestens 2,3 Metern über mindestens drei Viertel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben.“

Darüber hinaus ist es für die Praxis sinnvoll, den Begriff der Geschosse im Dachraum zu definieren. Ein entsprechender Vorschlag könnte lauten:

„Geschosse im Dachraum sind Geschosse, die ganz oder teilweise von der Dachhaut umschlossen sind, und zwar so, dass es im Innern des Geschosses Dachschrägen gibt, die die Nutzbarkeit der Räume spürbar einschränken.“