Mit einem Urteil vom 14.03.2025 [↗] hat der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung zum sogenannten Notwegrecht (§ 917 BGB) fortentwickelt und hierbei eine bislang umstrittene Rechtsfrage geklärt.
Das Notwegrecht gibt einem Grundstückseigentümer ein zivilrechtliches Wegrecht über ein fremdes Grundstück, wenn sein Grundstück vollständig von anderen Grundstücken umschlossen ist, keine öffentliche Straße oder Weg den Zugang ermöglicht und es keine zumutbare Alternative gibt, um zum eigenen Grundstück zu gelangen.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es hierbei auf die Erreichbarkeit des Grundstücks mit Kraftfahrzeugen an
Dies setzt nicht voraus, dass das Kraftfahrzeug bis vor den Eingangsbereich des auf dem eigenen Grundstück stehenden Gebäudes fahren kann. Ausreichend ist es vielmehr, wenn das Kraftfahrzeug unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren kann und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise - auch mit sperrigen Gegenständen - erreicht werden kann
Von der Erreichbarkeit des Grundstücks zu unterscheiden ist das Interesse eines Eigentümers, auf sein Grundstück zu fahren und ein Fahrzeug dort abzustellen. Grenzt das Grundstück, für das ein Notweg beansprucht wird, an eine öffentliche Straße, so kann es mit Personenkraftwagen angefahren werden. Damit ist seine ordnungsmäßige Benutzung zu Wohnzwecken selbst dann gewährleistet, wenn keine Personenkraftwagen auf dem Grundstück abgestellt werden können
In dem dem Urteil zugrundeliegenden Rechtsstreit stritten die Parteien nicht um die bloße Erreichbarkeit des Grundstücks – insoweit bestand Einigkeit hinsichtlich eines Notwegrechts – , sondern um den Umfang desselbigen.
Der zur Duldung der Überfahrt verpflichtete Nachbar war der Überzeugung, dass das Notwegrecht nicht das Befahren mit Kraftfahrzeugen zum Zwecke des Parkens auf dem eingeschlossenen Grundstück erfasse, es sei denn, dies ist im Einzelfall aus wichtigem Grund zwingend erforderlich.
Auf dieser Linie argumentierte auch das Oberlandesgericht Schleswig in der zweiten Instanz. Es urteilte, dass der Nachbar die Benutzung seines Grundstücks zur Überfahrt nur in dem Umfang zu dulden habe, der erforderlich sei, um dem Grundstück der Beklagten die Verbindung mit dem öffentlichen Weg zu verschaffen.
Hiervon sei die Überfahrt zum Parken nicht umfasst. Es sei offensichtlich, dass das Grundstück des Nachbarn einer intensiveren Beeinträchtigung ausgesetzt werden, wenn es auch zu dem Zweck überfahren werden dürfte, auf dem eingeschlossenen Grundstück zu parken.
Der BGH schloss sich dieser Auffassung jedoch nicht an und urteilte zugunsten des eingeschlossenen Nachbarn.
Soweit das Überqueren des Nachbargrundstücks mit Fahrzeugen zum Inhalt des Notwegrechts gehört, könne es nicht darauf ankommen, zu welchem Zweck der Notwegberechtigte sein eingeschlossenes Wohngrundstück mit dem Kraftfahrzeug anfährt.
Das Überqueren des Nachbargrundstücks mit dem Kraftfahrzeug sei abgeschlossen, wenn der Notwegberechtigte sein eigenes Grundstück erreicht hat. Wie der Notwegberechtigte anschließend sein eigenes Grundstück nutzt, bleibe – unter Verweis auf die Eigentumsfreiheit – ihm überlassen. Hierzu gehöre auch die Entscheidung, das Kraftfahrzeug auf dem eigenen Grundstück zu parken.
Der Eigentümer des Nachbargrundstücks könne nicht verlangen, dass der Notwegberechtigte den Notweg nicht nutzt, um das Kraftfahrzeug auf seinem eigenen Wohngrundstück abzustellen.
Hierbei berief sich der BGH auch auf das naheliegende Argument der Praktikabilität und Rechtssicherheit und führte aus:
„Wären Zufahrten des Notwegberechtigten zu Parkzwecken von dem Notwegrecht ausgenommen, würde dies zudem zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit führen. So dürfte der Notwegberechtigte sein Kraftfahrzeug abstellen, wenn die Zufahrt nicht zu Parkzwecken, sondern zum Be- und Entladen erfolgte, nicht aber, wenn das Abstellen alleiniger Zweck der Zufahrt wäre. Der Fahrt mit dem Kraftfahrzeug kann man aber nicht ohne weiteres ansehen, zu welchem Zweck sie erfolgt.“
Somit kann der eingeschlossene Nachbar das Nachbargrundstück auch zum Parken auf dem eigenen Grundstück überqueren. Jedoch muss er für die umfassendere Inanspruchnahme des Notwegrechts eine höhere Notwegrente (§ 917 Abs. 2 BGB) entrichten - statt 267 Euro künftig 313 Euro.