Der Alptraum vom eigenen Haus – Das Justizdrama um das Rangsdorfer Haus - Oberthür & Partner

Der Alptraum vom eigenen Haus – Das Justizdrama um das Rangsdorfer Haus

Hendrik Nass | Rechtsanwalt

Hendrik Nass | Rechtsanwalt

Das mittlerweile nicht mehr nur bei Examenskandidaten bekannte „Rangsdorfer Hausdrama“ findet mit einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.03.2025 (Az.: V ZR 153/23) mitsamt Grundsatzentscheidung einen vorläufigen Abschluss.

Eine Familie hatte 2010 im Zuge der Zwangsversteigerung am AG Luckenwalde den Zuschlag für ein Baugrundstück erhalten. Das Grundstück war versteigert worden, weil der Eigentümer Schulden bei der Stadt Freiburg hatte und angeblich nicht erreichbar war. Die Familie riss das auf dem Grundstück befindliche Wochenendhaus ab und errichtete stattdessen ein neues Eigenheim.

Nur ein Jahr später meldete sich jedoch der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Dieser hatte über Umwege doch noch von der Zwangsversteigerung erfahren und verlangte nun das Grundstück zurück. Der Amerikaner hatte dieses 1993 von seiner Großtante geerbt und war auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen. Von der Zwangsversteigerung hatte er keine Kenntnis, da die zuständigen Behörden seine Anschrift nicht ermitteln konnten und (voreilig) auf das Mittel der öffentliche Zustellung zurückgegriffen wurde.

Nach Erhebung der Beschwerde gegen den Zuschlagbeschluss wurde dieser durch gerichtlichen Beschluss aufgehoben, mit der Folge, dass der Erbe sein Eigentum an dem Grundstück nie verloren hatte. Daraufhin forderte er die Familie auf, auszuziehen und – mangels Verwendbarkeit für ihn – das neu errichtete Gebäude auf eigene Kosten wieder abzureißen.

Unstreitig – wenn auch im vorliegenden Fall tragisch – hat der Erbe als Eigentümer einen Anspruch auf Räumung des Grundstücks.

Interessant ist der Fall jedoch gerade deshalb, weil er sich um die Frage dreht, ob die Familie die Kosten des Hausbaus von dem Eigentümer ersetzt verlangen kann.

Juristisch spielt der Fall damit in den komplexen Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (auch EBV) der §§ 985 ff. BGB.

Das EBV ist unter anderem darauf ausgelegt, in Fällen in denen ein Besitzer gutgläubig davon ausgeht Eigentümer einer Sache zu sein, einen gerechten Interessenausgleich herzustellen. Eine Ausprägung hiervon ist, dass der Besitzer werterhöhende Investitionen (juristisch: Verwendungen) ersetzt verlangen kann, § 996 BGB.

Unter dem sogenannten „Verwendungsbegriff“ besteht im juristischen Kosmos jedoch seit langer Zeit ein Streit, welche Anforderungen an die nützlichen Verwendungen – so lautet die Überschrift des § 996 BGB – zu stellen sind.

Die Rechtsprechung vertrat bislang die Ansicht, dass Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen sind, die der Sache zugutekommen ohne diese grundlegend zu verändern. Hiervon ausgehend wurde bei Gebäuden zwischen Sanierung und Neubau differenziert. Durch einen Neubau werde das Grundstück nicht in seinem Bestand verbessert, sondern dessen Zustand grundlegend verändert.

Dieser als „enger Verwendungsbegriff“ bezeichneten Auffassung sind auch die Instanzgericht gefolgt, mit der Folge, dass die Kosten für die Errichtung eines neuen Gebäudes auf dem Grundstück nicht mehr unter die Verwendungen des § 996 BGB fallen. Die Familie bliebe demnach auf ihren Investitionen sitzen.

Dass diese Rechtsfolge mit Blick auf das Vertrauen in die eigene Eigentümerstellung im vorliegenden Fall schwer nachvollziehbar ist, hat auch der BGH eingeräumt. BGH-Richterin Bettina Brückner hatte das Urteil des OLG Brandenburg in der mündlichen Verhandlung noch als „ruinöses“ bezeichnet.

In einer wegweisenden Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung schließt sich der BGH nun dem von der Literatur vertretenen „weiten Verwendungsbegriff“ an.

Hiernach sind getätigte Aufwendungen auch dann ersatzfähige Verwendungen im Sinne des § 996 BGB, wenn sie die Sache grundlegend verändern. Begründet hat der BGH die Entscheidung mit einem gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer. Auch sollen Rechtsunsicherheiten infolge von Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden werden.

Im Rahmen der nach § 996 BGB erforderlichen Nützlichkeit der Verwendung kommt es somit nunmehr allein auf die objektive Werterhöhung der Sache an. Der subjektive Wert für den Eigentümer ist dagegen irrelevant. Der Verwendungsersatzanspruch ist jedoch auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten begrenzt.

Die Familie kann somit Zug-um-Zug gegen die Herausgabe des Grundstücks Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangen, die sie in das Grundstück investiert haben und welche dessen Wert heute noch erhöhen. Für die Frage der Höhe des Ersatzanspruchs hat der BGH das Verfahren für den Abschluss zurück an das OLG Brandenburg verwiesen. 

Auch der Abriss auf eigene Kosten bleibt der Familie erspart, da, so der BGH, ein Anspruch auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen einen gutgläubigen und unverklagten Besitzer ausgeschlossen ist.

Der BGH zieht insoweit § 993 Abs. 1 BGB heran, wonach ein Schadensersatzanspruch gegen einen solchen Besitzer ausgeschlossen ist. Zwar sei § 1004 Abs. 1 BGB kein Schadensersatzanspruch, jedoch im wirtschaftlichen Ergebnis mit einem solchen vergleichbar.