Ein Eigentümer kann das lastenfreie Überschwenken eines Baukrans in der Regel nicht abwehren. Er muss die Inanspruchnahme des Luftraums selbst dann dulden, wenn weder eine zivilrechtliche Zustimmung noch eine öffentlich-rechtliche Rechtfertigung, beispielsweise durch einen Planfeststellungsbeschluss, vorliegt. Das lastenfreie Kranüberschwenken stellt keine verbotene Eigenmacht eines Bauherrn dar (OLG Hamburg, Beschluss vom 19.12.2024, Az.: 9 W 48/24).
I. Der Fall
Die Antragstellerin ist eine WEG, deren Grundstück unmittelbar an eine Großbaustelle zur Herstellung einer U-Bahnhaltestelle angrenzt. Der Vorhabenträger teilte mit, dass die Großbaustelle mittels eines Krans beschickt werde, der jahrelang über dem Luftraum des Grundstücks der WEG schwenken werde. Da die Baustelleneinrichtung nicht vollständig von einem Planfeststellungsbeschluss umfasst war, bat der Vorhabenträger um eine Zustimmung der WEG als Nachbarn, die indes verweigert wurde.
Mit einem Eilantrag begehrte die WEG das Überschwenken gerichtlich untersagen zu lassen.
II. Zu den Entscheidungsgründen
Das OLG Hamburg lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung mit der Begründung ab, dass sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus dem allgemeinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Eigentümers (§ 1004 BGB) noch aus verbotener Eigenmacht (§§ 858, 862 BGB) oder einem sonstigen Rechtsgrund herleiten ließe. Eine Beeinträchtigung des Luftraums durch das lastenfreie Überschwenken mit einem Kranausleger sei daher vom betroffenen Nachbarn zu dulden. Das OLG Hamburg geht davon aus, dass bei einem lastenfreien Überschwenken des außerhalb des Baustellenbereichs liegenden Grundstücks der Antragstellerin kein schützenswertes Ausschließungsinteresse der Antragstellerin bestünde. Durch das lastenfreie Überschwenken entstände keine konkrete Gefahrensituation für das Grundstück oder für Leib und Leben. Damit schließt sich das OLG Hamburg den Gerichtsentscheidungen anderer Obergerichte an, welche das lastenfreie Überschwenken im innerstädtischen und verdichteten Bereich regelmäßig auch gegen den Willen der betroffenen Nachbarn und ohne eine entsprechende Zustimmung für zulässig erachtet haben (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2009, Az.: 9 U 163/05; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.2007, Az.: 9 W 105/06; LG Berlin, Urteil vom 08.02.2023, Az.: 43 O 12/23, n.v.).
III. Bewertung und Ausblick
Die Entscheidung stärkt die Rechte von Bauherren und Vorhabensträgern. Es wird einem Nachbarn im Fall eines lastenfreien Überschwenkens in kaum einer Fallkonstellation möglich sein, eine konkrete Gefahrensituation durch das lastenfreie Überschwenken nachzuweisen.
Das OLG Hamburg lässt die Frage unbeantwortet, ob ein Vorhabenträger zumindest verpflichtet wäre, die Inanspruchnahme des Luftraums - wie es die Landesbauordnung verlangt - nach § 74 Abs. 6 HBauO zwie Wochen vor Beginn der Maßnahme anzukündigen. Schon in der Vergangenheit war in Entscheidungen der Hamburgischen Gerichte offen gelassen worden, wie das Verhältnis des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruches zu dem in Hamburg öffentlich-rechtlich geregelten Hammerschlags- und Leiterrecht zu beurteilen ist. Um auf der „sicheren Seite“ zu sein und das Nachbarschaftsverhältnis nicht unnötig zu belasten, bleibt die Empfehlung nach wie vor, das Aufstellen eines Krans und das lastenfreie Überschwenken rechtzeitig anzukündigen. Gleichwohl haben die Nachbarn geringe Möglichkeiten, das Überschwenken des Luftraums zu untersagen.